Anhang M - Empfehlungen für Schiedsgerichte

Dieser Anhang ist nur als Empfehlung gedacht; unter gewissen Umständen können Änderungen dieses Verfahrens ratsam sein. Er richtet sich vor allem an den Vorsitz des Protestkomitees, kann aber auch Schiedsrichtern, Sekretären des Protestkomitees, Wettfahrtkomitees und anderen, die in Protest- und Wiedergutmachungs-Anhörungen beteiligt sind, von Nutzen sein.

In einer Anhörung sollte das Protestkomitee alle Aussagen mit gleicher Sorgfalt prüfen. Es sollte berücksichtigen, dass guten Glaubens gemachte Aussagen als Ergebnis unterschiedlicher Beobachtungen und Erinnerungen verschieden sein können. Es sollte versuchen, solche unterschiedlichen Aussagen so gut wie möglich aufzuklären. Es sollte ferner anerkennen, dass ein Boot oder Teilnehmer so lange nicht schuldig ist, bis sein Verstoß gegen eine Regel vom Protestkomitee eindeutig als erwiesen festgestellt wurde. Es sollte sich nicht festlegen, bis alle Beweise darüber vorliegen, ob ein Boot oder ein Teilnehmer gegen eine Regel verstoßen hat.

M1 Vorbereitungen (kann durch das Wettfahrtbüro erledigt werden)

(a) Entgegennahme des Antrags auf eine Anhörung
(b) Vermerken der Eingangszeit des Antrags auf eine Anhörung und des Endes der Protestfrist .
(c) Informiere alle Partei sowie alle beteiligten Komitees, waa und wo die Anhörung stattfindet (Regel 63.1(a)(1))..

M2 Vor der Anhörung

M2.1 Es ist zu gewährleisten, dass

(a) jede Partei die Gelegenheit den Protest, Wiedergutmachungsantrag oder Anschuldigung zu lesen und angemessen Zeit hat.sich auf die Anhörung vorzubereiten (Regeln 63.1(a)(2) und 63.1(a)(3)).
(b) nur eine Person jeder Partei anwesend ist, sofern nicht ein Übersetzer benötigt wird (Regel 63.1(a)(4)).
(c) alle betroffenen Boote und Personen vertreten sind. Andernfalls kann jedoch das Protestkomitee nach Regel 63.1(b) verfahren.
(d) die Vertreter der Boote an Bord waren, falls erforderlich (Regel 63.1(a)(4)).
(e) Sind die Parteien aus verschiedenen Wettfahrten, müssen beide Veranstalter mit der Zusammensetzung des Protestkomitees einverstanden sein (Regel 63.2(e)).
(f) In einem Protest bezüglich Klassenregeln sind die geltenden Klassenregeln zu besorgen; und die für ihre Interpretation dieser Regeln zuständige Stelle ausfindig zu machen (Regel 63.5(d)).

M2.2 Stelle fest, ob irgend ein Mitglied des Protestkomitees den Vorfall gesehen hat. Wenn das der Fall ist, ist es erforderlich, dass jeder von ihnen diese Tatsache sobald als möglich bekannt gibt (Regel 63.4(d)).

M2.3 Bewertung von Interessenkonflikten

(a) Stellen Sie sicher, dass alle Mitglieder des Protestkomitees jegliche Interessenkonflikte erklären. Bei Major Events wird dies oft eine formal geschriebene Erklärung sein, die vor dem Beginn der Veranstaltung gemacht wurde und die in den Unterlagen des Protestkomitees hinterlegt ist.
(b) Stellen Sie am Beginn jeder Anhörung sicher, dass den Parteien alle Interessenkonflikte von Mitgliedern des Protestkomitees bewusst sind. Fragen Sie die Parteien, ob sie mit der Zusammensetzung des Protestkomitees einverstanden sind. Wenn eine Partei nicht sobald wie möglich, nachdem der Interessenkonflikt offengelegt wurde, etwas einwendet, kann das Protestkomitee dies als Zustimmung betrachten, fortzufahren und sollte dies protokollieren.
(c) Wenn eine Partei Einwände gegen ein Mitglied des Protestkomitees hat, ist es notwendig, dass die restlichen Mitglied des Protestkomitees bewerten ob der Interessenkonflikt maßgeblich ist. Die Bewertung soll das Niveau der Veranstaltung, das Niveau des Interessenkonfliktes und das Gerechtigkeitsempfinden berücksichtigen. Es kann zulässig sein, Konflikte zwischen Mitgliedern des Protestkomitees abzuwägen. Eine Anleitung kann auf der World Sailing Website gefunden werden. Protokollieren Sie die Entscheidung und die Gründe für diese Entscheidung.
(d) In zweifelhaften Fällen kann es vorteilhaft sein, mit einem verkleinerten Protestkomitee fortzufahren. Außer für Anhörungen nach Regel 69 ist keine Mindestanzahl von Schiedsrichtern erforderlich.
(e) Wenn ein Antrag auf Wiedergutmachung nach Regel 61.4(b)(1) eingereicht wird und auf einer unsachgemäßen Handlung oder Unterlassung eines, vom Protestkomitee unterschiedlichen Gremiums beruht, sollte ein Mitglied dieses Gremiums nicht Mitglied des Protestkomitees sein.

M3 Die Anhörung

M3.1 Prüfe die Gültigkeit des Protestes oder des Antrags auf Wiedergutmachung:
(a) Sind die Inhalte ausreichend (Regel 60.3(a), 61.2(a) oder 63.7(b)))?
(b) Ist er rechtzeitig eingereicht? Gibt es Gründe, die Frist zu verlängern, wenn das nicht der Fall ist (Regel 60.3(b), 61.2(b) oder 63.7(b))?
(c) Falls erforderlich: War der Protestführer in den Vorfall verwickelt oder war er Zeuge des Vorfalls (Regel 60.4(a)(2))?
(d) Wurde, falls notwendig, „Protest“ gerufen und die Protestflagge richtig gezeigt (Regel 60.2(a)(1))?
(e) Wurde der Protestgegner informiert, falls Zuruf oder Flagge nicht notwendig waren (Regel 60.2(b))?
(f) Es ist zu entscheiden, ob der Protest oder der Antrag auf Wiedergutmachung gültig ist (Regel 63.4(a)).
(g) Ist über die Gültigkeit des Protestes oder des Antrags auf Wiedergutmachung entschieden, lassen Sie die Entscheidung über die Gültigkeit nicht erneut zur Anhörung zu, wenn nicht wirklich neue Beweise vorgebracht werden.

M3.2 Beweisaufnahme (Regel 634)
(a) Fragen Sie die Parteien nach ihrer Darstellung. Erlauben Sie ihnen danach, sich gegenseitig zu befragen. In einer Wiedergutmachungs-Anhörung ist die Partei zu bitten, den Antrag zu erklären.
(b) Vergewissern Sie sich, dass Sie die von jeder Partei behaupteten Fakten kennen, bevor Sie einen Zeugen aufrufen. Dessen Darstellung kann davon abweichen.
(c) Erlauben Sie jedem, auch der Mannschaft eines Bootes, Zeugenaussagen zu machen. Die Partei muss im Normalfall entscheiden, welche Zeugen aufzurufen sind, obwohl auch das Protestkomitee Zeugen aufrufen kann (Regel 63.4(b)) Die Frage einer Partei „Möchten Sie N hören?“ ist am besten zu beantworten mit: „Es ist ihre Wahl.“
(d) Rufen Sie die Zeugen der Parteien (und des Protestkomitees, wenn vorhanden) nacheinander auf. Schränken Sie die Parteien auf Fragen an die Zeugen ein (sie könnten in allgemeine Erklärungen abschweifen).
(e) Fordern Sie zuerst den Protestgegner auf, den Zeugen des Protestierenden zu befragen (und umgekehrt). Das verhindert, dass der Protestierende seinen Zeugen von Anfang an beeinflusst.
(f) Gestatten Sie einem Mitglied des Protestkomitees, das den Vorfall sah, als Zeuge auszusagen (Regel 63.4(d)). Mitglieder die Aussagen machen, dürfen befragt werden und sollen darauf achten, dass sie alles über den Vorfall berichten, was die Entscheidung beeinflussen kann, und sie bleiben weiterhin im Protestkomitee (Regel 63.4(e)).
(g) Versuchen Sie, Suggestivfragen und Aussagen nach dem Hörensagen zu verhindern. Ist das nicht möglich, sind solche Aussagen nicht zu berücksichtigen.
(h) Der Protestkomitee Vorsitz sollte eine Partei oder einen Zeugen, der Ausagen von Hörensagen, Wiederholungen oder irrelvante Aussagen macht, darauf hinweisen, dass solchje Aussagen entsprechend gewichtet werden, was bedeutet dass sie geringes oder gar keine Gewichtung erfahren (Regel 63.4(b) und 63.5(a))
(i) Fordern Sie ein Mitglied des Protestkomitees auf, die Aussagen zu protokollieren, insbesondere Zeiten, Abstände, Geschwindigkeiten usw.
(j) Fordern sie Mitglider des Protestkomitees aus Fragen zu stellen.
(k) Bitten Sie die Parteien eine abschließende Darlegung seines Falles zu geben, insbesondere hinsichtlich Anwendung oder Auslegung der Regeln.

M3.3 Ermittle den Sachverhalts (Regel 63.5(a))
(a) Die Fakten sind niederzulegen, Zweifel so oder so zu beseitigen.
(b) Die Parteien sind, wenn notwendig, für weitere Fragen zurückzurufen.
(c) Wenn zweckmäßig, ist eine Skizze des Vorfalls unter Verwendung des ermittelten Sachverhalts anzufertigen.

M3.4 Entscheide den Fall (Regel 63.5)
(a) Die Entscheidung ist auf den ermittelten Sachverhalt zu gründen. (Ist das nicht möglich, sind weitere Fakten zu ermitteln.)
(b) Achten Sie bei Wiedergutmachungsfällen darauf, dass keine weiteren Angaben von Booten benötigt werden, die durch die Entscheidung betroffen sind.

M3.5 Informiere die Parteien (Regel 63.6)
(a) Die Parteien sind wieder zusammenzurufen, und es sind ihnen der ermittelte Sachverhalt, die Schlussfolgerungen und die anwendbaren Regeln sowie die Entscheidung zu verlesen. Drängt die Zeit, ist es erlaubt, die Entscheidung zu verlesen und Einzelheiten später bekannt zu geben.
(b) Jeder Partei ist eine Kopie der Entscheidung auf Verlangen auszuhändigen. Das Protestformular oder der Antrag auf Wiedergutmachung ist in die Unterlagen des Protestkomitees einzuordnen.

M4 Wiederaufnahme einer Anhörung (Regel 63.7)

M4.1
Wird ein Antrag auf Wiederaufnahme einer Protest-Anhörung von einer der Parteien rechtzeitig eingereicht, ist die Partei anzuhören, die den Antrag stellt. Videobänder sind anzusehen usw. und es ist zu entscheiden, ob wesentliche neue Beweise vorliegen, die dazu führen könnten, die frühere Entscheidung zu ändern. Es ist zu entscheiden, ob die Auslegung der Regeln falsch gewesen sein könnte; der Frage, ob man einen Fehler gemacht hat, muss man aufgeschlossen gegenüberstehen. Trifft nichts davon zu, ist die Wiederaufnahme abzulehnen; anderenfalls ist eine Anhörung anzusetzen.

M4.2
Ein Beweismittel ist „neu“,
(a) wenn es für die eine Wiedereröffnung beantragende Partei nicht vernünftigerweise möglich war, das Beweismittel bereits vor der ursprünglichen Anhörung zu finden,
(b) wenn das Protestkomitee überzeugt ist, dass vor der ursprünglichen Verhandung das Beweismittel zwar vorhanden war, aber von der die Wiedereröffnung beantragenden Partei gewissenhaft aber ohne Erfolg gesucht wurde, oder
(c) wenn das Protestkomitee aus beliebiger Quelle erfährt, dass das Beweismittel den Parteien zum Zeitpunkt der ursprünglichen Anhörung nicht zur Verfügung stand.

M5 Ermessensstrafen (rule 64)
Regel 64 erlaubt einem Boot, das eine Regel, die mit einer Ermessenssrafe belegt ist, verletzt hat, innerhalb der Protestfrist zu berichten, dass es die Regel verletzt hat und damit und damit dem sportlichen Verhalten und den Regeln zu genügen.Wenn der Bericht keine ausreichenden Fakten für das Protestkomitee beinhaltet um zu entscheiden, welche Strafe zu geben ist, kann das Protestkomitee den Vertreter des Bootes und jegliche Zeugen befragen um Beweismittel für eine angemessene Entscheidung zu sammeln. Es ist nicht notwendig eine Anhörung anzusetzen um diese Beweismittel zu sammeln. Beachte die Richtlinien zur Behandlung von Ermessensstrafen, die auf der Webseite von Word Sailingzu finden sind.

M6 Fehlverhalten (Regel 69)

M6.1
Maßnahmen aufgrund dieser Regel stellen keinen Protest dar; vielmehr händigt das Protestkomitee dem Teilnehmer vor der Anhörung schriftlich die gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe aus. Die Anhörung wird nach den Regeln durchgeführt, die ähnlich zu denen einer Protestanhörung sind, wobei das Protestkomitee aus mindestens drei Mitgliedern bestehen muss (Regel 69.2 (b)). Dabei ist auf die Wahrung der Rechte des Teilnehmers besonders sorgfältig zu achten.

M6.2
Ein Teilnehmer bzw. ein Boot kann nicht aufgrund von Regel 69 protestieren; das Protestformular eines Teilnehmers, der dies versucht, kann jedoch als Mitteilung an das Protestkomitee behandelt werden, das dann darüber entscheiden kann, ob eine Anhörung einberufen werden soll.

M6.3
Sofern nicht World Sailing eine Person für diese Rolle benannt hat, kann das Protestkomitee eine Person benennen, die den Vorwurf vertritt. Diese Person kann ein Wettfahrtoffizieller, die Person, die den Vorwurf vorgebracht oder eine andere geeignete Person sein. Wenn keine angemessene andere Person zur Verfügung steht, kann eine Person, die als Mitglied des Protestkomitees benannt war, den Vorwurf vertreten.

M64
Ist auf Grund eines zu Teil 2 gehörenden Zwischenfalls die Einberufung einer Anhörung nach Regel 69 wünschenswert, dann ist es wichtig, dass das Protestkomitee zunächst alle Boot-gegen-Boot-Proteste normal verhandelt und darüber entscheidet, welches Boot, wenn überhaupt, welche Regel verletzt hat, bevor es gegen den Teilnehmer nach Regel 69 vorgeht.

M6.5
Obwohl Maßnahmen nach Regel 69 gegen einen Teilnehmer, Bootseigner oder eine unterstützende Person und nicht gegen ein Boot gerichtet sind, kann auch ein Boot bestraft werden (Regel 69.2(h)(2) und 62.4).

M.6.6
Wenn das Protestkomitee einen Vorwurf nach Regel 69 bestätigt, wird es bedenken müssen, ob es angemessen ist, entweder dem Nationalen Verband oder World Sailing zu berichten. Eine Anleitung, wann zu berichten ist, kann im World Sailing Case Book gefunden werden. Wenn das Protestkomitee einen Bericht erstellt, kann es eine Empfehlung geben, ob weitere Maßnahmen erfolgen sollten oder nicht.

M6.7
Sofern das Recht auf Berufung nicht in Übereinstimmung mit Regel 70.3 ausgeschlossen ist, kann eine Partei einerAnhörung nach Regel 69 Berufung gegen die Entscheidung des Protestkomitees einreichen.

M6.8
Weitere Anleitungen für Protestkomitees bezüglich Fehlverhalten können auf der World Sailing Website gefunden werden.

M7 Berufungen (Regel 70 und Anhang R)
Wenn Entscheidungen berufungsfähig sind,
(a) sind die die Anhörung betreffenden Unterlagen so aufzubewahren, dass sie ohne Schwierigkeiten für eine Berufung verwendet werden können. Gibt es eine zutreffende oder eine vom Protestkomitee angefertigte Skizze? Ist der ermittelte Sachverhalt ausreichend? (Beispiel: Gab es eine Überlappung? JA ode NEIN. „Vielleicht“ ist kein ermittelter Sachverhalt.) Sind die Namen der Mitglieder des Protestkomitees und weitere wichtige Informationen auf dem Formular vermerkt?
(b) Kommentare des Protestkomitees zu einer Berufung sollten den Berufungsausschuss in die Lage versetzen, sich den ganzen Vorfall deutlich vorzustellen; der Berufungsausschuss weiß nichts über die Situation.

M8 Fotografische Beweismittel
Fotografien und Videos können manchmal nützliche Beweismittel darstellen, doch das Protestkomitee sollte ihre Grenzen kennen und die folgenden Punkte beachten:
(a) Die Partei, die fotografische Beweismittel liefert, ist verantwortlich dafür, dass nötigenfalls ein Gerät zum Anschauen zur Verfügung steht.
(b) Das Video ist mehrmals anzusehen, um alle Informationen herauszubekommen.
(c) Die räumliche Darstellung jeder Einlinsen-Kamera ist sehr beschränkt, bei einem Teleobjektiv ist sie nicht vorhanden. Sieht die Kamera zwei überlappende Boote im rechten Winkel zu ihrem Kurs, ist es unmöglich, den Abstand zwischen ihnen einzuschätzen. Sieht die Kamera sie frontal, ist es unmöglich zu sehen, ob eine Überlappung besteht, sofern sie nicht sehr deutlich vorhanden ist.
(d) Folgende Fragen sind zu stellen:
(1) Wo war die Kamera in Bezug auf die Boote?
(2) Bewegte sich die Unterlage der Kamera? Wenn ja, in welcher Richtungund wie schnell?
(3) Änderte sich der Winkel, als die Boote den kritischen Punkt erreichten? Schnelles Schwenken verursacht beträchtliche Änderung.
(4) Hatte die Kamera die ganze Zeit eine uneingeschränkte Sicht auf die Situation?